Vor einigen Jahren war ich im Süden von England unterwegs und hatte mir vorgenommen, die legendäre spirituelle Seite Englands kennen zu lernen. Dabei versuchte ich, etwas für meine Meditationsfähigkeiten zu tun und bei jedem vermuteten Kraftort zu meditieren. Anfangs war das nicht wirklich leicht.
Eine der wichtigsten Stationen war der berühmte Tor in Glastonbury. Ein großer Hügel, auf dem ein Tempelrest steht. Die Gegend soll ja das sagenumwobene Avalon sein. Und, ich gebe zu, wenn man dort oben in der untergehenden Abendsonne sitzt und erste Nebel auf dem Land rund herum auftauchen, können schon Vorstellungen von herumziehenden Rittern entstehen – unterwegs nach Camelot.
Dort saß ich eines Tages im Gras auf dem Berg vor einer grandiosen Landschaft und schaffte es nicht wirklich, meine Gedanken los zu lassen. Ich versuchte mir vorzustellen, ich sei ein Baum und wurzele in der Erde. Prompt versuchte ein Maikäfer, eine guten Landeplatz und Unterschlupf an meinem Ohr zu finden. Super. Standhaft habe ich ihn eine ganze Zeit lang gewähren lassen. Aber als noch ein zweiter immer wieder vorbeiflog, war es mit meiner Konzentration und dem Loslassen nicht wirklich gut bestellt. Und irgendwann fiel mir ein, dass der Berg ja mit seinem ehemaligen Tempel einer Göttin geweiht war und diese hat vielleicht etwas gegen zudringliche Männer. Da ich einsah, dass ich dann wohl keine Chance habe, irgendwelche Wurzeln zu schlagen, stellte ich mir vor, meine Wurzeln umspannen die ganze Weltkugel. Das klappte dann ganz gut und ich fühlte mich wie ein Weltenbaum. Prima, die Göttin hatte ihre Ruhe und ich hatte meine schöne Meditation.
Auf meinem weiteren östlichen Weg probierte ich noch etliche andere Plätze mit mehr oder weniger Erfolg. Aber mir wurde immer klarer: sich einfach hinzusetzen und erfolgreich meditieren ist selbst in diesem beeindruckenden Land nicht immer leicht. Damals war mir noch nicht klar, dass Meditieren und Erfolg nichts miteinander zu tun haben.
Später beim schönen Avebury, einem riesigen Steinkreis (sogar mit Häusern darin) in der Nähe von Marlboro hatte ich dann noch ein beeindruckendes Erlebnis. Am Rande des Kreises stehen vier wirklich große Buchen, die einen erstaunlichen gemeinsamen Wurzelberg gebildet haben. Und zwischen diesen Buchen setzte ich mich auf einige große Wurzeln und versuchte zu meditieren.
Und diesmal musste ich wohl etwas richtig gemacht haben. Eben dachte ich noch an drei uralte Lieblings-Linden aus meiner Kindheit, die auch sehr geschlossen zusammengewachsen waren und erlaubte mir nun, diese Buchen von ihnen zu grüßen. Und auf einmal und völlig überraschend befand sich mein Bewusstsein in einem der Bäume (in dem, der vorne links zu sehen ist).
Der Geruch von frischem Holz wurde überwältigend. Ich spürte mich mitten im weichen Stamm stecken und fühlte das Wasser durch mich durch strömen. Auch die komplexe Form des Baumes mit seinen ausladenden Ästen und seiner Hülle aus grünen kräftigen Blättern vermochte ich wahrzunehmen. Und dies alles aus dem Inneren des Baumes.
Ich spürte, dass dieser Baum mit anderen kommunizierte. Er schien mittels seiner Blätter Stoffe auszusenden und ebenso welche aufzunehmen. Ich hatte das Gefühl, es besteht eine Verbindung zwischen diesem und den anderen Bäumen.
Was mich etwas verwirrte, war die dabei stattfindende doppelte Wahrnehmung. Ich konnte klar denken, spürte mich auch in meinem eigenen Körper sitzen, hörte Windrauschen, Spaziergänger, spürte die Sonne und Wind, und konnte trotzdem gleichzeitig diesen Baum in einer völlig unvermuteten Intensität wahrnehmen. Und das über mehrere Minuten.
Lange habe ich darüber gerätselt, ob nun wirklich mein Bewusstsein auf die Wanderschaft in diesen Baum oder das Bewusstsein dieses Baumes in meines gewandert ist. Äußerst beeindruckend empfand ich es in jedem Fall, solch intensive Gefühle von einem Baum zu spüren. Und ich kann mir immer noch diesen unglaublich starken Holzgeruch zurück rufen. Ein wirklich empathisches Erlebnis.
Man kann mich jetzt für anfällig für Wahnvorstellungen oder im Drogenrausch halten. Aber ich bin mir sicher, ich war 100% nüchtern, relativ klar und hatte auch genug Wasser getrunken. Was mir bleibt, ist die Überzeugung, dass vieles möglich ist und wir erstaunliche Erfahrungen machen können, wenn wir uns dafür öffnen.