Was sind wir? Wer bin ich? Immer wieder dieselben Fragen, wenn Philosophen zusammenkommen.
Wieder einmal war ich versucht, eine neue Sichtweise einzubringen.
Als das Gespräch auf das eigene Ich kam, gab ich zu bedenken, dass es bei dem Ich ja nur um eine Illusion geht. Schließlich sind wir ja eine ziemlich große Ansammlung von Körperzellen, die alle ein eigenes Bewußtsein haben. Und diese alle bilden gemeinsam nicht nur einen großen Organismus sondern auch ein großes Ich.
Das gab natürlich viel Widerspruch und Unglauben nicht nur beim gestandenen Psychologen. Woher will ich das nun wieder wissen? Das war ja klar. Wenn man sein Leben lang mit “dem Menschen, seinem Bewusstsein und dem Ich” beschäftigt war, kann man das nicht einfach anders sehen. Das Ich soll ein virtuelles sein? Gar nicht existieren?
Dazu fiel mir dann noch eine Steigerung ein. Die vielen Mikroben in unserem Verdauungssystem haben ja als eigenständige Lebewesen auch ein Bewußtsein. Sie sind zehnmal soviel wie unsere Körperzellen und sollen angeblich über uns bestimmen. Nicht nur, dass sie unser Wohlbefinden beeinflussen, sondern sie können uns ungeduldig, aggressiv oder krank machen.
Was bleibt dann noch von dem eigenständig denkenden Menschen übrig? Ist der nur unsere Vorstellung, weil unsere Phantasie nicht reicht?
Sind wir als denkender Mensch nur eine Vorstellung unserer Körperzellen und unserer Bewohner? Eigentlich kein Wunder, dass wir unseren Körper und Geist nicht wirklich verstehen. Alles was wir können, ist uns einfache Modelle von unserem funktionierendem Ich zu machen.
Vermutlich haben wir das gleiche Problem wie ein Ameisenvolk. Einzelne Ameisen haben wohl keine gute Vorstellung vom ganzen Volk als funktionierende Einheit. Und das Schwarmbewußtsein funktioniert vermutlich auch so modellhaft wie unser Bewußtsein.
Noch ähnlicher sind uns vermutlich Pilze. Diese leben ja vor der Reifungszeit als einzelne Hyphen im Boden. Doch dann irgendwann im Herbst kommen sie alle zusammen und bauen auch einen organisierten Fruchtkörper, um sich durch Sporenaussendung vermehren zu können. Die einzelnen Hyphen eines Myzels bauen sich dann zu spezialisierten Zellen im Fruchtkörper ein.
Auch unsere Körperzellen tun das ebenfalls, allerdings gleich von Anfang an.
Wenn man so ein Schwarm-Prinzip in der Natur so betrachtet in seinen vielen Spielarten, ist es eigentlich gar nicht so undenkbar, dass unsere Körperzellen durch diesen gemeinsamen Körperbau viel besser durch die Umwelt und an Nahrung kommen. Die spezialisierten Zellen bilden Bewegungs-, Verdauungs- und Wahrnehmungseinheiten. Und weil wir uns bewegen, brauchen wir so etwas wie Denkeinheiten.
Alle diese Untereinheiten arbeiten gut organisiert zusammen und erleichtern dadurch das Überleben. Selbst diesen Untereinheiten könnte man vielleicht ein Bewusstsein zuordnen.
Ich weiß, es ist sowieso schon schwer, sich irgend jemandem unterzuordnen. Sich jetzt noch vorzustellen, unsere Organe bestimmen über uns, über diese dann noch im Verbund unsere Körperzellen. Außerdem dann noch die ganzen Massen von Mikroben. Das könnte schon fast frustieren.
Aber auch daran ist etwas Gutes. Wir können immer behaupten: Ich war das nicht! Das waren meine Zellen. Oder wahlweise meine Mikroben!